kreative Hoffnungslosigkeit  – von Erschöpfung und Akzeptanz.

kreative Hoffnungslosigkeit – von Erschöpfung und Akzeptanz.

Gestern hatte ich ein langes Gespräch mit einer wunderbaren Geschäftsführerin.  Wir sprachen über Ihre Erschöpfung und darüber, dass sie als sehr beeindruckende kluge Frau wahrgenommen wird, die zwei Vorschulkinder, Familie, Umzug und einen sehr anspruchsvollen Job perfekt managed. Und in ihr ist Traurigkeit und Wut und Ohnmacht, die sie verwirrt zurücklassen. Eigentlich habe sie doch allen Grund glücklich zu sein…. 

Es ist kostbar Unzufriedenheiten wahrzunehmen (auch wenn es sich nicht immer so anfühlt) und sich auf Rat der Stoiker hin, um die veränderbaren Angelegenheiten im eigenen Leben zu kümmern. Die Stoiker sagen auch, dass ich die einzige Quelle meiner Emotionen bin, dass Erfolg und Misserfolg nie endgültig sind und dass ich meine Erwartungen angemessen halten sollte. 

Tatusch! 

Was erwarten wir eigentlich? 

Unsere heutigen Entfaltungsmöglichkeiten suggerieren, dass alles möglich ist. Du musst dich nur anstrengen, dann kannst du permanent glücklich sein. Also los, streng dich mal an! 

Stopp. Ehrlich gesagt glaube ich nicht daran. Ein erfülltes und zufriedenes und sinnvolles Leben bedeutet nicht dauerhaftes Glück. Sinnhaftigkeit lässt sich in sozialen Medien allerdings nicht so gut vermarkten wie Glück. 

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten unvorstellbare Entwicklungen in Technik und Medizin erlebt, unzählige Probleme gelöst. Ständige Effizienzsteigerung, Eliminierung jeglicher Verschwendung aus der Wertschöpfung. Wachstum scheint immer möglich, ein nie enden wollender Frühling? 

Ist es da verwunderlich, dass wir denken, dass es für jede Schwierigkeit eine Lösung gibt? 

Der Gedanke, dass wir manches nicht ändern können, ist uns fremd geworden. Der allgemeine Fortschrittsglaube hat sich in unserer inneren, psychischen Welt ausgebreitet. Alles was wir nicht gern fühlen, wie Angst, Scham, Wut, Sorgen, aber auch körperliche Beschwerden, wollen wir gern hinter uns lassen, Unangenehmes vermeiden. 

Für alles eine erfolgversprechende Therapie?
In der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) geht man davon aus, dass Annahme geeignet ist, psychische Leiden zu lindern. Die Illusion, alles kontrollieren und verändern zu können, inklusive unserer Psyche, macht also erst richtig krank. Psychische Probleme werden gerade dadurch begünstigt, dass wir Wut, Trauer oder Angst nicht fühlen wollen. Das Problem: wenn wir uns dem Schmerz nicht stellen, erwächst daraus Leid. Es wird mehr davon. So differenziert Steven Hayes zwischen „sauberen“ und „schmutzigen“ Kummer. Sind die Kinder krank? Gab es Streit mit dem Partner? Drängt die Projektabgabe oder springt das Auto nicht an? Hier passt das Gefühl der Überforderung oder Ohnmacht durchaus zur Situation. Wir haben es mit „sauberem“ Kummer zu tun. Will ich jedoch diese Ohnmachtsgefühle nicht aushalten, betrinke mich oder verbiete mir, mich nach ruhigen Zeiten zu sehnen, dann entsteht „schmutziger“ Kummer, der auch noch immer größer wird. 

Der Versuch mit unserem Verstand Kontrolle über unsere Probleme zu erhalten funktioniert bei Problemen der äußeren Welt. Unsere Psyche lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken. Ist der Reifen am Auto platt, macht es Sinn eine Lösung zu finden. Bin ich traurig und fühle Minderwertigkeit, sucht mein Kopf ebenfalls nach einer Lösung. Er sucht, ob etwas in meinem Leben nicht so ist, wie es sein sollte und findet Lösungen, um etwas dagegen zu tun. Willkommen in der Grübelschleife. Doch nicht jede Erschöpfung und jede Traurigkeit muss kleinteilig analysiert werden. Vielleicht will sie einfach gefühlt werden. Dann geht sie auch wieder. Denn wir sind nicht unsere Gefühle und unsere Gedanken. Auf die Couch legen und die Erschöpfung spüren dauert vielleicht zwei Stunden oder auch mal zwei Tage. Im Gegensatz dazu dauert weiter machen und die Erschöpfung verdrängen, Monate oder solange bis sich der Körper nicht mehr gefallen lässt, was wir der Psyche antun. 

In der ACT spricht man dann von kreativer Hoffnungslosigkeit, wenn ich erkenne, dass mir meine bisherigen Versuche der Problemlösung nichts gebracht haben. So geht es nicht weiter, ich gebe mich geschlagen, ich lasse los. Das bedeutet nicht, sich passiv resigniert in die Ecke zu setzen und sich in Selbstverdammnis, Scham und Leid zu kuscheln. Sondern basierend auf der Erkenntnis, dass es mir nichts bringt, gegen meine Gefühle zu kämpfen, anzunehmen, dass diese da sind und sich nicht gut anfühlen. Aber mich eben auch nicht komplett ausmachen. Denn sie sind Gefühle unter vielen anderen. 

Drei praktische Übungen: 

1. Wie wäre es mit einem: „Hallo Gefühl der Überforderung. Ich kenne dich. Es ist in Ordnung, dass du da bist. Ich halte dich aus, weil ich weiß, dass du auch wieder gehst.“ 

2. Oder statt einem: „Ich bin überfordert und erschöpft“ ein: „Ich denke gerade, ich bin überfordert und erschöpft.“ Mit diesen Gedanken der Metakognition können bedrohliche Gefühle und Gedanken auf Abstand gebracht werden. Ich schaue mir selbst beim Denken zu.

3. Eine paradoxe Intervention für den eigenen Kopf könnte auch sein, dem Gedanken humorvoll zu begegnen. Wie wär´s damit, diesen Gedanken 20 mal hintereinander mit hoher Stimme zu singen? So darf der Gedanke da sein, aber die Bedeutungsschwere wird ihm genommen, der Stellenwert verändert sich und er raubt uns nicht mehr so viel Energie.